Die Gärten > 2008 Aachen

Unter dem Vorsitz des Kurators Daniel Sprenger hat die Einladungskommission, interdisziplinär besetzt mit Volmar Delheij, Projektleiter EuRegionale 2008 Agentur GmbH, Werner Wingenfeld, Stadt Aachen, Dr. Annette Lagler, Ludwig Forum für Internationale Kunst sowie freien Künstlern, Architekten und Landschaftsarchitekten, aus über 60 weltweit eingereichten Projektideen die Teilnehmer für die Temporären Gärten 2008 ausgewählt. Folgende Projekte sind im Juni 2008 im Rahmen der Veranstaltung Temporäre Gärten gezeigt worden:

Gartenzwerge

Beate Lendt, Gerald Lindner, Jeroen Tacx
Amsterdam, Niederlande
www.studiotx.nl

Am Gartenzwerg, dem Symbol der deutschen Kleingartenkultur, scheiden sich die Geister. Die Künstler spielen mit diesem Klischee und verwandeln die Aachener Soers in einen „Kleingarten”. Sie laden die Besucher ein, mit einem für sie persönlich hergestellten Gartenzwerg die Soers zu erwandern und an passender Stelle ihren Garten zu schmücken. Eine ganze Mannschaft von Ballon-Zwergen erwartet jeden Tag aufs Neue die Besucher. Sie können wie eine Handtasche herumgetragen werden, bis der passende Ort gefunden ist, um sich für längere Zeit niederzulassen.

Flying Grass Carpet

HUNK design und IDEddy
Rotterdam, Niederlande
www.flyinggrasscarpet.org

Mit Instantwirkung eröffnet der Flying Grass Carpet ein Stück Park, wo immer er zur Landung ansetzt. Nicht nur im urbanen Betondschungel, sondern auch in der Soerser Naturlandschaft lässt der Flying Grass Carpet einen Freiraum entstehen, der zum Rasten einlädt. Auf dem ornamentalen Teppich aus künstlichen Grasfasern lässt es sich picknicken, spielen und den Müßiggang genießen. Mitten im öffentlichen Raum finden sich Menschen auf einer simulierten Grünfläche zusammen.

Transformation von Klängen des Länderdreieck um Aachen

Tilman Küntzel
Berlin
www.tkuentzel.de

Mit einer nahezu wissenschaftlichen Versuchsanordnung wird den Staren der Soers Gesangsunterricht erteilt. Wo der Mensch von der Natur sonst nur nimmt, gibt Tilman Küntzel mit schelmischem Augenzwinkern in der technischen Nachahmung der Natur etwas zurück. Begleitet von einem Lichtspiel können die Stare, bekannt als Meister der Imitation, auf der Stange der „Nistkästen“ Klangphrasen aus dem Klangkosmos der Naturlandschaft Pferdelandpark erlernen. Die konzentrierte Aufmerksamkeit der Besucher ist ebenso wie das erweiterte Gesangsrepertoire der Stare Teil dieses Spiels.

Rouge en Vert

Monika Brenner, Uta Göbel-Groß, Anette Sommer
Aachen

Rot in Grün, ob auf der Farbpalette oder in der Natur, lässt das Auge frohlocken. Fernab aller urbanen Ablenkung, vom Soerser Weg in Richtung Wildbach, versteckt hinter Fabrikgebäuden, hinein ins Dunkel des Naturtunnels und wieder hinaus ins sommerliche satte Grün – hier lässt es sich besonders gut schauen, neue Perspektiven eröffnen und: ausgiebig sitzen. Die leuchtend-roten Punkte entlang der Route erweisen sich schnell als eigens gefertigte Sitzgelegenheiten, die zum Ruhen einladen. Nehmen Sie Platz!

Nature on/in the air

Aljona Galazan, Henn Runnel, Tit Sild, Mari Toom
Tallin, Estland

Hergehört! Die Natur spricht, und das gar nicht so leise. Die Technik macht dem Besucher akustisch erlebbar, was als natürliche Stille überhört wird. Wo sonst das Auge die Oberhand hat, sollen nun andere Sinne die Temporären Gärten entdecken. Ob das Ergebnis als Furcht einflößend oder bezaubernd wahrgenommen wird, muss der Besucher selbst herausfinden und wird dabei filmisch, fotografisch und durch Interviews von den Künstlern begleitet.

Wiesenküche

Karola Schlegelmilch
Berlin

Der Genuss von Wildpflanzen und Unkräutern, die so zahlreich unbeachtet an Wegesrändern, im Wald oder auf Wiesen stehen, wird in der Wiesenküche zum geschmacklichen Erlebnis. Hier werden leckere Speisen aus selbst gepflückten Wild- und Unkräutern zubereitet, und kleine Kostproben stehen für Passanten bereit. So lenkt der Wohlgeschmack der Natur unsere Wahrnehmung auf die bewachsene Umgebung und regt vielleicht zum Austausch von persönlichen Familienrezepten an, die seit ewigen Zeiten wie das Wildgemüse gesammelt werden.
www.karolaschlegelmilch.de

Vom Riechen und Sehen

Bertram Weisshaar
Leipzig
www.atelier-latent.de

So wie sich Düfte tief in unserer Unbewusstes eingraben können, hängen uns auch Bilder oftmals lange nach. In einem Verwirrspiel innerer und äußerer Erscheinung werden die Sinne auf die Probe gestellt, die Nase mit Düften gekitzelt und Ansichten auf den Kopf gestellt.

natürlich künstlich

Trash/Treasure
Köln
www.trashtreasure.de

Die Beschäftigung mit Staub und Zeit bildet den Ausgangspunkt einer Annäherung an die Landschaft durch die beiden Künstlerinnen. Entstanden ist eine Wiese mit 3.000 Blüten am Wegesrand des Wildbaches. Der bezaubernde Anblick aus der Ferne entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als etwas ganz anderes. Poppig und mit simplem Charme reihen sich die weißen Blütenkelche aus Spitzbechern in die Flusslandschaft ein und recken leuchtend bunte Löffelchen in die Luft, dem modernen Stadtbewohner entgegen, der immer eine Sensation sucht. Knackfrisches Wegwerfgeschirr entspricht unserem modernen Lebensstil. Perfekte Sauberkeit hat heute keine Zeit, treibt aber wundersame Blüten.

Global Village

Andreas Kaiser
Köln
www.kaiserkunst.de

Ein scheinbar lebloses Lager aus 21 Militärzelten hat sich in einem umzäunten Bereich gesammelt und scheint bewacht durch einen getarnten Koloss. Stündlich erhebt sich von hier ein babylonisches Geflüster. Aus den Zelten ertönen weltweite Radionachrichten in unterschiedlichen Sprachen. Für fünf Minuten erwacht das Lager so gleichsam zum Leben und teilt sich mit, ohne sich auszutauschen. Nachrichten umfluten die Welt und treiben Migranten vor sich her. An das entgegengesetzte Ende der Welt gespült von der Verheißung eines besseren Daseins, finden sie sich gestrandet in der Isolation fremder Kulturen.

Knopfgeschichten

Barbara Brouwers, Petra Kather
Aachen

Verblüffende Funde in fruchtbarem Boden führten die beiden Künstlerinnen in eine vergangene Welt. Filigrane Knopf-Netze umweben den Geist einer Epoche, in der Tuch das Gold der Aachener war. Mit der Spurensuche im Herzen der Soers ist eine Geschichte entstanden, geschrieben aus Puppengliedern, Porzellanknöpfen, Perlen und Flaschenverschlüssen. Diese Fragmente verdichten sich mit Bild, Ton und Text zu einer poetischen Zeitreise.

Grasland - Schneeland — Mobile Gras-Klangskulpturen

Peter Kiefer
Aachen
www.peter-kiefer.de

Die chinesische „Grasland“-Politik im „Schneeland“ Tibet wird in der Komposition dieser Klanginstallation thematisiert. Der Mensch will es sich einfach machen mit der Natur, sie seit jeher besitzen, kultivieren, gestalten. Mit den Grasland-Schneeland-Wagen kann man sich seinem Kontrollwahn hemmungslos hingeben und diese als transportablen Klanggarten nach Lust und Laune umher schieben. Die gewaltsame Besetzung und „Kultivierung“ der Hochlandnomaden und ihrer Umgebung durch abgesteckte Weiden mit nicht standortgerechten Gräsern findet in dem rollenden Gartenstück eine Metapher, deren spielerische Harmlosigkeit die scheinbare Beiläufigkeit der schleichenden Zerstörung der tibetischen Kultur wahrnehmbar macht.

Passe-Partout

atelier le balto : Marc Pouzol, Véronique Faucheur
Berlin
www.lebalto.de

Eine Aufforderung zum Tanz steckt im Projekt „Passe Partout". Einfache Laufbretter, wie sie der Gärtner zum Schutz des bearbeiteten Bodens einsetzt, bilden den Rahmen für ein behutsames Spiel mit der bewussten Bewegung. Durch die Verdoppelung des „passe-pied“ (franz. Fußbrett) werden der Bewegung Richtung gegeben und Ausblicke in die umliegende Landschaft ebenso wie auf das Gegenüber ermöglicht. Die Objekte lassen sich leicht transportieren und interpretieren während der Ausstellung an verschiedenen Orten die Landschaft als Garten. Die Gartenidee des Passe Partout bildet so den Rahmen für spontane Tänze und Choreographien.

Public viewing pond pvp08

Gruppe C5: Philipp Noller, Frank Hauschildt
Aachen
www.lookatC5.de

Unter dem Motto ’Zu Gast bei Freunden’ treffen auf einem unentdeckten Teich am Fuße des Lousbergs unerwartete „Tümpelbewohner“ im Rahmen eines Turniers aufeinander. Die Besucher sind eingeladen, sich am Turnier zu beteiligen und die Akteure aus „coaching boxes“ vom Ufer des Teiches aus zu steuern. Auf einer Großbildleinwand an einem prominenten Ort können die Besucher live und aus sicherer Entfernung in entspannter Atmosphäre das Turnier verfolgen.

The modesty of Moss

Kerry Morrison
Todmorden, Lancs, Großbritannien
www.morrison-prowse.com

Die enorme Schönheit und nicht nur ökologische Nützlichkeit der zumeist nicht allzu hoch geschätzten, wenn nicht gar verschmähten Moospflanze braucht Anerkennung und Unterstützung. Damit diese Pflanzen sich entfalten können wie ein sprießender Teppich, führt Kerry Morrison ihre Besucher gemeinsam mit einer Botanikerin durch das Unterholz und sammelt, untersucht und bestimmt die große Vielfalt vom Moosen, die in der Soers heimisch sind, selbst bedeckt mit einem Moosmantel.

Ornamental Farm

Ralf Witthaus
Köln

Mit großen Schlegelmähern wird der romantischen Sehnsucht, die der Idee des Landschaftsgartens innewohnt, im wahrsten Sinne des Wortes auf den Grund gegangen. Die Rasenmäherzeichnungen fressen sich bis zur Grasnarbe in die große Wiese, die den Mittelpunkt des pitoresken Müschparks bildet. Zwei riesige Puzzlestücke stellen sich als aktuelle plastische Form dem idyllischen Naturbild des Gartens entgegen. In den folgenden zwei Wochen wachsen sie wieder nach. Am Ende der Ausstellung ist das idealisierte Landschaftsbild des historischen Gartens wieder komplett.

Im Nebel

Jörg Schlinke
Lühburg

Als Skulptur verlässt der Wanderer von Caspar David Friedrich den bekannten Bildzusammenhang. Der Nebel lüftet sich und gibt die Szenerie der heutigen Soers frei. In einem archaischen, plastischen Akt wird aus dem Wiesenboden der Soers eine Negativform herausgearbeitet und tritt als steinerner Abguss in die Landschaft. Mit seiner melancholischen Naturbetrachtung ist die Figur des Mannes ab jetzt nicht mehr allein. Seiner erdigen Rückenansicht können sich andere anschließen und in das Bild eintreten. Es ermöglicht überraschende, choreographische Entdeckungen im beweglichen Panorama der Soers.

F³ [Forest + Ferns + Feathers]

Elyse de Lafontaine
Montreal, Kanada
www.elysedelafontaine.com

Märchenhaft verzaubern künstliche Blumen oder Farne aus handverwobenen Federn das Soerser Unterholz. Eine bunte Illusion entsteht, die den vorbeigehenden Besucher in eine Zwischenwelt entführt, in der sich Alltag und Traum vermischen. Einen kurzen Augenblick lang scheint alles möglich zu sein, bevor das rationale Denken die Illusion zerbricht und die Blumen sich als nur künstlich erweisen.

Rauschende Bäume

Robert Schmitz-Michels
Berlin
www.robertschmitzmichels.com

Im Pferdelandpark rauschen die Bäume auch an windstillen Tagen. Wie von Zauberhand werden die Besucher des Parks erfasst. Die Natur wird ergriffen, und wir sind es auch. Natürlich laufen wir hier einer künstlich geschaffenen Illusion nach. Dieser Garten ist kein Nutz- oder Ziergarten, sondern ein Elektrogarten, ein symbiotischer Zustand zwischen Elektronik-Kultur und Natur. Das Projekt greift in den natürlichen Ablauf ein und erzeugt ein KulturRauschen, im Gegensatz zum NaturRauschen.

o.T. Garninstallation

A.M.Can
Aachen
www.a-m-can.de

Durch das Werk der Künstlerin A.M.Can zieht sich natürliches Garn als Form gebendes Element für dreidimensionale Objekte und umschließt die räumliche Landschaft. Die Natur gibt die Form vor, welche sie ihrerseits schwunghaft fortsetzt. Die so geschaffenen Objekte begeistern durch Leichtigkeit und Transparenz. Mit minimalen Mitteln wird ein Raum geschaffen, bei dem die Grenze zwischen Innen und Außen nur noch eine hauchdünne Fadenbreite beträgt, fragil und zart. Eine unwirkliche räumliche Erscheinung, unspektakulär in die Landschaft integriert, die sich neu erleben lässt.

 

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